oder auch: Warum wir JETZT noch nicht ganz dran glauben, aber in 3-5 Jahren dann schon
Die folgende Meinung ist meine ganz persönliche Meinung – mit Sicherheit qualifiziert aber nicht populär. Ich möchte mal etwas Skepsis raus lassen, denn im Moment sieht’s so aus, als hätten alle IT-ler die Kundenberatung von den Banken abgeschaut :).
Jeder will dir heute die Cloud verkaufen. Die grossen wie
Microsoft,
Amazon und
Google wollen es verkaufen, weil Sie glauben, dass es ganz gross wird, und gerne monatlich mitverdienen wollen. Die IT-Berater und IT-Buden wollen es auch verkaufen, aber deren Motive sind viel schwammiger: man würde glauben, sie wollen auch mit verdienen. Das stimmt zwar, aber ist von untergeordneter Priorität. Der Hauptgrund ist, dass alle Modernität und Kompetenz vortäuschen, und darum beim aktuellen Hype auch dabei sind.
Die Wahrheit ist viel langweiliger und brisanter:
- Cloud-Computing ist alter Wein in neuen Schläuchen
- Jeder versteht jeder etwas anderes unter Cloud-Computing (sofern er es überhaupt versteht)
- Die wirklichen Profis sind viel zurückhaltender-euphorisch als sie es nach aussen zeigen
- Der aktuelle stark beworbene Typ von Cloud-Computing ist ein Risiko-Fass ohne Boden
Logischerweise stammen diese Aussagen nicht aus der Werbung – wer will schon sparhungrige Manager vom Geldausgeben abhalten? Insbesondere weil die Cloud alles bietet, was dem Manager seine nächste Belohnung und Beförderung garantiert – unabhängig davon, ob es eine gute Entscheidung war. Denn der Manager kann meistens einmalige hohe Kosten so verteilen, dass dies in diesem Jahr weniger Ausgaben bedeutet, also in diesem Jahr mehr Gewinn ausweist – und alle sind happy.
So, jetzt muss ich für meine Behauptungen oben noch etwas Beweismaterial liefern. Here it goes:
1. Alter Wein in neuen Schläuchen
Wenn ich Cloud-Computing aufs Wesentliche reduziere und vom Marketing-Bla-Bla befreie, kommt ca. folgendes raus: Wenn ich einen IT-Nutzen/-Dienst möchte, kann ich entweder diesen in der Reinform kaufen, also genau den Dienst bestellen und dafür bezahlen – dann habe ich Cloud-Computing. Alternativ (früher) kann ich Einzelteile kaufen (Server, Windows, Kabel, Strom, usw.) und diese so einrichten, dass sie mir einen Nutzen/Dienst erbringen. Mit Cloud-Computing kümmert mich nur der Nutzen/Dienst, ohne dass ich mich um das ganze Zeugs darunter kümmern muss.
Der Hauptvorteil dabei ist, dass ich nicht mehr zuständig bin – jemand anders muss garantieren, dass es funktioniert, und dass der Aufwand mit den Kosten gedeckt ist. Der Nebenvorteil ist oft, dass es kleinere Investitionen braucht und oft flexibel mitwächst oder schrumpft wenn ich mehr/weniger Leistung benötige.
Ganz alte Beispiele von Cloud-Computing aus den 90er-Jahren: Mail-Hosting (GMX, GMail und Euer Firmenmail-Provider); Web-Hosting (Eure Website im Internet); Datei-Hosting (früher meist FTP, heute DropBox und Co.);
Cloud-Computing hiess ASP (Application Service Providing) bei der Millenniumswende und beinhaltete: Spezial-Anwendertools (Online-Alben, Blogs, Passwort-Tools, uvm.); Spezial-Business-Tools (Intranets wie SharePoint, ERPs wie Abacus, CRM wie SalesForce, uvm.), Online-Daten-Analyse (wie Bloomberg und Co.) und Branchensoftware (wie unser Tageskarten-Reservationstool).
Die neueste Form von Cloud-Computing, ist die Server-Virtualisierung (seit ca. 2005), bei der der Kunde die Infrastruktur mietet (Rechenleistung, Strom, Speicher etc.), aber die Einzelteile darauf selber verwaltet (Windows usw.). Dies ist eine logische Weiterentwicklung der Ressourcenoptimierung.
Fazit: Cloud-Computing gibt’s schon seit etwa 40 Jahren. Die neuen Möglichkeiten aus der Virtualisierung (auch bereits kalter Kaffee) verleihen dem neuen Überbegriff Flügel.
Tipp: recherchier mal die früheren Schlagwörter und du wirst viele Gemeinsamkeiten finden: Grid-Computing, SOA, Utility-Computing, ASP.
2. Jeder versteht etwas anderes unter dem Begriff Cloud-Computing
Jeder definiert Cloud-Computing nach seinem Gusto und nach seinem aktuellen Verkaufsteam. Und dies primär anbieterseitig. Kundenseitig ist es anders – dort sprechen Manager gerne von Cloud-Computing, ohne überhaupt eine Ahnung zu haben was gemeint ist, und ohne zu bemerken, dass die Firma schon ewig „Cloud-Services“ bezieht. Darum ist jede Aussage und alle Versprechen, die gemacht werden richtig – sofern man die Cloud gerade so definiert, wie der Sprechende es wünscht. Ergo: jede Aussage wird leer.
3. Die Zurückhaltung ist sehr gross – wird aber verheimlicht
Gehen wir mal davon aus, dass die aktuelle Euphorie der neuesten Cloud-Entwicklungen gewidmet ist, nämlich der a) ich kaufe bei den ganz Grossen; b) ich beziehe Infrastruktur (Rechenleistung, Storage und Mail); und c) ich bezahl fast nichts, und wenn mein Business wächst, wächst die Infrastruktur mit.
So: unter der Prämise sagt jeder: das ist die Zukunft. Aber hinter vorgehaltener Hand sagen sie:
- „ich reite mit auf der Marketingwelle, aber mein Geld würde ich nicht darauf verwetten“
- „Klingt schön, aber die Kosten steigen enorm in realistischen Szenarien“
- „Finde ich cool, in 5 Jahren funktioniert es hoffentlich“
- „Wir haben’s ausprobiert, ich denke es tut schon“
- „Macht Sinn für Twitter und Facebook, aber was soll ein KMU damit? Die wichtigen Kosten wie Betreuung usw. hat er trotzdem. Wir optimieren hier einen unwesentlichen Teil der Arbeit“
- „Zu unflexibel – klar ist es billiger, aber nur, weil es eben nicht mehr an mich angepasst wird, sondern ich mich ans System anpassen muss.“
Wer hat diese Aussagen gemacht? Leider möchten die Sprechenden nicht genannt werden – ich könnte aber selbst hinter jeder dieser Aussage stehen.
4. Das Risiko-Fass ohne Boden
Wir haben 3 wichtige Risiken: Technisch, Juristisch und Politisch.
- Die technischen Risiken sind unangenehm, aber wenn wir ehrlich sind, sind diese für die meisten Firmen vertretbar, denn wenn auch immer wieder Daten verloren gehen, der Strom aussetzt oder andere Dinge passieren, die garantiert nie passieren – wenn wir ehrlich sind, könnte das auch jede Installation einer Firma treffen. Somit ist es nicht instabiler als eine eigene Einrichtung. Trotzdem verbleiben ein paar kritische Fragen wie:
- Bei hochoptimierten Systemen mit wenig Personal: wie schnell ist meine Firma wieder verfügbar, wenn mal alle Stricke reissen und die anderen Kunden bevorzugt werden?
- Wenn ich aussteige, wie bekomme ich alle meine Daten?
- Wenn das System aussteigt – egal warum – wie bekomme ich meine Daten um irgendwie im Notfallbetrieb weiter zu arbeiten?
- Die juristischen und politischen Risiken sind nicht erfassbar, und darum hochbrisant. Stellt euch ein Schweizer KMU vor, das von einem der Grossen (in Deutschland) den Vertrag abschliesst. Die Infrastruktur wird in Holland betrieben und aus Irland und Indien betreut, während das Mutterhaus in den USA das Sagen hat. Jetzt die spannenden Fragen:
- Welches Gesetzt ist zuständig?
- Welche Regierung darf meine Daten einsehen?
- Wenn meine Daten gesichtet werden, muss man mir das mitteilen?
- Welche Regierung darf verlangen, dass mein Betrieb eingefroren wird?
Die Antworten auf diese Fragen sind meiner Meinung nach zu gefährlich, um in einer Ausland-Cloud zu arbeiten. Der Datendiebstahl wäre problematisch, aber noch viel schlimmer ist es, wenn eine „Hausdurchsuchung“ (aufgrund einer Klage eines Mitbewerbers aus irgendeinem Land) zum Einfrieren meiner Systeme führt – und ich nicht mehr an meine Daten komme. Zwei Wochen einer solchen Therapie und die meisten Firmen sind insolvent.
So: Das war mein Schwarzmalen – wobei meine Lösung ist: Abwarten und Tee trinken. Es wird alles nach und nach geregelt. Wer jetzt bereits von den Cloud-Vorteilen profitieren will, soll es nur selektiv für unkritische Teile einsetzen, und/oder nur Cloud-Services aus dem eigenen Land beziehen. Was denkst du?
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